ronalyze

Share this post

Von der Angst, eine wütende Frau zu sein

ronaduwe.substack.com

Von der Angst, eine wütende Frau zu sein

Wie Männer Frauen spalten

Rona Duwe
May 15, 2022
30
6
Share this post

Von der Angst, eine wütende Frau zu sein

ronaduwe.substack.com

Wie durch ein Wunder wurde mein Twitter-Account am Freitag wieder freigeschaltet, so dass ich mich weiterhin an der Diskussion auf dieser merkwürdigen Plattform der Meinungsmacher beteiligen kann. Ich dachte eigentlich, ich könnte nun wieder in Ruhe Politikerinnen und Politiker vor der Landtagswahl in NRW mit politischer Teilhabe als Frau ärgern. Stattdessen eskalierte eine Diskussion unter einem Tweet von mir, in dem ich mich mit einer Frau solidarisierte, die gerade von einem Mann mit über 15.000 Followern auf Instagram und 70.000 Followern auf YouTube attackiert wurde.

Dieser Mann erweicht die Herzen der stolzesten Feministin damit, dass er zugibt: „Ich leide an Geschlechtsdysphorie. Ich bin transsexuell.“

Viele Frauen glauben, dass er mit seinen Videos, in denen er über seine Transition berichtet, ein Verbündeter sein könnte, denn er unterscheidet zwischen Transsexualität und Autogynephilie. Sehr vielen Frauen ist es wichtig, eine Differenzierung zwischen den echten und guten Transfrauen und den Männern zu schaffen, die Trans nur aus Fetischgründen zelebrieren.

Ich bin der Überzeugung, dass dieser Weg uns nicht weiterführt. Der Verlauf beweist eindeutig, dass Männer Männer sind und Männer nicht sonderlich viel tun müssen, damit Frauen eine Spaltung untereinander selbst übernehmen und im Kampf um die nette und bösen Männer völlig den Fokus auf ihre Sache verlieren.

Die Frau, die von diesem Mann angegriffen wurde, hatte folgendes Verbrechen begangen:

  1. Sie hatte öffentlich geteilte Fotos von genitalangleichenden Operationen (GaOPs) auf Reddit gesammelt und in einem externen Dokument gespeichert, um zu veranschaulichen, wie eine Neovagina wirklich aussieht.

  2. Sie hatte den Link zunächst auf Instagram und dann auf Twitter geteilt.

  3. Auf Twitter hat sie Follower unter „Sifftwitter“, die sich in derbster Form über diese Bilder lustig machten.

In Folge wurde ihr von oben genanntem Mann unerwünscht ein Foto einer Neovagina zugesendet mit dem Kommentar, ob sie mal ein richtig gutes OP-Ergebnis sehen wolle. Dieser Mann hatte eine solche OP gerade hinter sich gebracht und auf Instagram ausführlich damit geprahlt, wie schön das OP-Ergebnis sei. Die Frau reagierte auf diese „Dickpic“-Zusendung zu Recht entrüstet und erhielt Unterstützung von anderen Frauen aber auch von Sifftwitter.

Der Mann prahlte derweil auf Instagram weiterhin mit seiner wunderschönen Pussy und erstattete ausführlich Bericht darüber, wie er angeblich erste Orgasmen als Frau erlebte, vom Arzt mit dem Dilator penetriert wurde und wieviel schöner seine Pussy sei als die Pussy von TERFs – also Frauen. Seine Pussy sei gar die schönste Pussy der Welt. Jede Frau, die sich die Stories dieses Mannes länger mit einem kritischen Auge ansieht, kommt irgendwann an den Punkt, dass sie das übliche männliche Verhalten erkennt.

Viele Radikalfeministinnen ärgern sich darüber, denn für sie ist klar: Frau ist kein Gefühl. Eine Vulva und Vagina ist keine reine Körperöffnung zur Penetration für Männer. Daneben geht es für die wenigsten Frauen darum, in einen Pussy-Wettkampf zu treten.

Wie Sheila Jeffreys schon treffend analysierte ist Transgenderism in sich ein Übergriff auf Frauen. Nicht alle Frauen spüren das oder können ihr Gefühl der Irritation zur Sprache bringen. Sheila sagt, dass wir uns zu Recht aufregen, wenn Menschen Blackfacing betreiben. Womanfacing sollen wir als Frauen aber hinnehmen. Wir Frauen sollen uns aus Mitgefühl daran beteiligen, einem Mann eine Weiblichkeit zu bestätigen, die rein aus sexistischen Stereotypen besteht. In Wahrheit ist all das aber eine reine Simulation, die durch die moderne Medizin ermöglicht wird. Kein Mann kann wirklich eine Frau werden. Ein Mann bleibt ein Mann, auch wenn er seinen Körper durch Hormone und OPs modifiziert.

Der Mann – nennen wir ihn Jan – hatte schon mehrfach Feministinnen angegriffen und zur Spaltung zwischen Frauen beigetragen. Jan trat mehrfach mit diversen Fake-Accounts auf Twitter in Erscheinung und kommentierte Tweets der Frau. Anhand der Art der Tweets konnten die Frau und ihre Follower den Mann immer sehr schnell entlarven und machten sich ihren Spaß daraus, den Mann aufzuziehen.

Wolgemerkt: Der Mann hat sich SELBST immer wieder der Frau und ihren Sifftwitter-Freunden ausgesetzt.

Auf Instagram griff Jan wiederum wiederholt Radikalfeministinnen und deren Accounts an. Schließlich veröffentlichte er ein Video, in dem er die Frau, ihre Freundin und Sifftwitter thematisierte und sich als Opfer darstellte. Wer die Gesamtzusammenhänge kennt, weiß, dass dieses Video voller Falschdarstellungen ist. Frauen, die einen Outcall in Jans Videos erleben, werden in Folge von seiner großen Followerschaft oft über viele Wochen attackiert. Jan hat auch bereits Frauen gedoxxed – also ihre Identität preisgegeben, was für Frauen eine starke Gefährdung darstellt.

Da Jan sehr überzeugend lügen kann und zunächst sympathisch wirkt, glauben ihm viele Frauen. Hier schnappt die Falle zu, in die Frauen im Patriarchat hineinsozialisiert werden: Frauen stellen die Bedürfnisse von Männern in den Vordergrund und kämpfen bis auf’s Messer vor allem um die Bedürfnisse von Männern, die sich als benachteiligt darstellen. Frauen wird in der Regel nicht geglaubt, wenn sie von Übergriffen erzählen. Sie sollen überzeugend erklären und beweisen, was ihnen geschehen ist. Und wenn sie da auch nur den kleinsten Fehler machen, sind sie für einen Übergriff selbst verantwortlich. Diese Dynamik nennt sich Täter-Opfer-Umkehr und wird von frühesten Kindesbeinen an eingeübt.

Frauen werden verantwortlich gemacht für das Verhalten von Männern. Frauen streiten sich untereinander, wer verantwortlich für das Verhalten von Männern ist. Währenddessen können sich Männer entspannt zurücklehnen.

Da ich mich mit der Frau solidarisiert hatte und ihr meine Unterstützung zusicherte, standen nach kürzester Zeit nicht mehr die Übergriffe von Jan im Mittelpunkt, sondern die Freunde und Follower der Frau. Es ging nun um die Frage, inwiefern man eine Frau unterstützen darf, die die falschen Freunde hat, inwiefern eine Unterstützung dieser Frau auf alle abfärbt und alle in ein falsches Licht stellt und inwiefern eine solche Frau überhaupt eine feministische Verbündete sein kann.

Wir haben hier mehrere, typisch patriarchale Phänomene am Start:

  1. Frauen werden für das Verhalten von Männern verantwortlich gemacht.

  2. Frauen, die in falschen Kreisen unterwegs sind, eine falsche politische Einstellung haben oder die falsche Kleidung tragen, verdienen keine Frauensolidarität

  3. Das Fehlverhalten einer Frau überstrahlt das Fehlverhalten eines Mannes

  4. Frauen dürfen nicht gemein und wütend sein, sich nicht im Ton vergreifen, keine zu sarkastischen Kommentare schreiben und sich nicht in „verbrecherischer“ Weise gegen Übergriffe von Männern wehren

  5. Selbst wenn ein Mann mehr Macht hat durch die schlichte Zahl seiner Unterstützer und seiner Reichweite, ist es die Frau, die einen „Vernichtungskrieg“ gegen einen Mann führt

  6. Reden wir nur über die Frau. Nicht über die Männer.

  7. Mit welchen Männern Du Dich umgibst, bestimmt wer Du als Frau bist.

Innerhalb von nur knapp 2 Tagen erreichte der Konflikt eine starke Spaltung zwischen Frauen, die ursprünglich solidarisch agiert und sich gegenseitig unterstützt hatten. Frauen waren konstant damit beschäftigt, untereinander zu streiten, wer die richtige Einstellung hat, wer Feministin ist und wer mit wem kooperieren dürfe. Zum Ende hin stellte sich heraus, dass die Frauen, die vor allem Jans Darstellung der Geschichte geglaubt und übernommen hatten und ihn sich weiterhin als Verbündeten wünschten, wenig Ahnung von den tatsächlichen Zusammenhängen hatten. Die Erzählung von Jan wurde einfach übernommen. Daneben wurde die Frau und ihre Freundin so weit diskreditiert, dass sie etliche Follower verloren. Ich selbst wurde ebenfalls in Verantwortung genommen, die anderen Frauen zu wenig unterstützt zu haben, als sie von Sifftwitterern angegriffen wurden. Eine der Frauen, die sich über die Frau und ihre Follower ereifert hatte, schrieb gar einen ganzen Artikel zu Sifftwitter.

Die Diskussion hatte sich weit wegbewegt von Jan, seinen Taten und seiner Verantwortung.

In dem Artikel, der darlegt, warum wir uns nicht in die Nähe von Sifftwitterern begeben sollten, wird der genderkritische Feminismus thematisiert. Dieser Feminismus äußert sich kritisch zur Genderidentitäts-Theorie, glaubt aber an die Existenz von Transsexualität und Genderdysphorie. Frauen, die diese Haltung vertreten, betonen, dass sie nicht transfeindlich sind und dass sie Transsexuelle verstehen und unterstützen und mit ihnen gemeinsam kämpfen. Es ist ihnen wichtig, nicht zu feindselig und zu radikal zu erscheinen. Sie erhoffen sich damit, in politischen Debatten ernster genommen zu werden als Radikalfeministinnen, denen der Ruf des Extremismus nachgeht.

Blicken wir jedoch in Länder, die schon längere Erfahrungen mit diesen Debatten haben, zeigt sich dort, dass die genderkritische Einstellung Frauen immer wieder auf’s Glatteis führt. Wenn Frauen selbst glauben, dass das Vertreten ihrer Rechte zu extrem, feindselig und zu radikal sei und dass sie ihre Interessen nur durchsetzen könnten, wenn sie von vornherein freundlich und kompromissbereit auftreten, wiederholen wir die Fehler unserer Vorgängerinnen. Frauen werden grundsätzlich nur Brotkrumen und schlechte Kompromisse zugestanden. Daher müssen unsere Forderungen von Anfang an sehr hoch ansetzen und kompromisslos und klar auf unsere Rechte fokussiert sein. Wir sollten uns nicht darauf einlassen, dass wir SELBST meinen, wir seien feindselig, wenn wir Nein zu Männern sagen, auf der körperlich-materiellen Realität beharren und simple Menschenrechte einfordern.

Die körperlich-materielle Realität besagt: Es gibt nur zwei Geschlechter. Trans ist eine Illusion. Der Begriff Transfeindlichkeit oder Transphobie hat daher überhaupt keinen Gehalt. Es ist eine Zuschreibung, mit der Frauen ein schlechtes Gewissen gemacht werden soll, mit der sie in Rechtfertigungsdruck kommen und mit der sie vom Vertreten ihrer berechtigten Interessen abgelenkt werden. Wenn wir die ganze Zeit betonen müssen, dass wir nicht feindselig sind, wenn wir konstant damit beschäftigt sind, uns zu rechtfertigen, dass wir nicht transphob sind, haben wir keine klare Haltung mehr und können nicht überzeugen. Wir sollten als Frauen überzeugt für unsere Interessen eintreten. Es steht uns voll und ganz zu, uns in unserer eigenen Bewegung - dem Feminismus - nur auf uns und unsere Themen zu konzentrieren. Wir müssen nicht auch noch unsere eigene Bewegung zu einem beliebigen All-incl-Care-Paket für Männer machen.

Wenn wir uns außerdem kritisch zur Genderidentitäts-Theorie äußern, verhalten wir uns inkonsequent, wenn wir doch irgendwo an eine immaterielle Genderseele in Form von einer echten Transsexualität oder Genderdysphorie glauben, statt uns tatsächlich rein an den wissenschaftlichen Fakten und der körperlich-materiellen Realität zu orientieren. Es ist kein Hass, die Wahrheit zu benennen.

Was nun die Solidarität unter Frauen angeht, sollten wir auch hier trainieren, dass wir Frauen glauben und Frauen unterstützen, die angegriffen werden. Frauen werden ständig gemaßregelt, wie sie sich zu äußern und zu verhalten haben, damit sie ernstgenommen werden. Es ist wichtig zu üben, dass wir das verweigern. Es ist wichtig, dass wir zu unserem Zorn stehen und den auch äußern. Es ist wichtig, unbequem zu werden und uns durchaus auch unbeliebt zu machen – vor allem bei Männern. Männer sind keine verlässlichen Verbündeten für Frauen in ihrer Befreiungsbewegung. Es ist nicht in ihrem Interesse, dass sie Frauen als vollwertige Menschen anerkennen und uns von ihren Privilegien abgeben.

Männer sind untereinander bedingungslos solidarisch, wenn es um Männerinteressen geht. Diese Haltung können wir uns abschauen und in unserer Weise umsetzen. Wir sollten es nicht zulassen, dass Männer uns spalten oder dass wir Frauen verantwortlich für das Verhalten von Männern machen. Der Ton oder der Ruf einer Frau oder ihr Verhalten sollte uns nicht davon abhalten, sie im Ernstfall zu unterstützen.

Der Radikalfeminismus gibt Frauen einen klaren Kompass an die Hand. Er kämpft für die Befreiung aller Frauen aus der Unterdrückung und Gewalt im Patriarchat. Er setzt dabei Männer nicht als Maßstab für Frauen, sondern gesteht Frauen eigene Maßstäbe zu – denn wir sind keine Männer. Bleiben wir mutig darin, tatsächlich uns und unsere Interessen ins Zentrum unserer Bemühungen zu stellen und uns nicht von Männern ablenken, gegeneinander aufbringen und spalten zu lassen.

6
Share this post

Von der Angst, eine wütende Frau zu sein

ronaduwe.substack.com
6 Comments
pishnurg
May 15, 2022Liked by Rona Duwe

Das ist für mich gerade eine der großen Fragen:

Ist es nötig, um in der Sache was zu erreichen, radikal und somit fundamentalistisch zu sein? Ist dies als aktionistische Methode nötig, weil sich sonst nichts bewegt und man Gefahr läuft, sein Anliegen ausfransen/verwässern zu lassen? Oder kann(, ja ev. muss) man sich Ambiguitätstoleranz bewahren und trotzdem (oder gerade deshalb) gut sein Anliegen vertreten und auch was/wen erreichen?

Des Weiteren frage ich mich, ob wir uns von Männern wirklich was abschauen sollten. Dadurch wird männliches Verhalten (wieder) zum Maßstab erhoben. Wie ist UNSER Weg? Ist es möglich, die Orientierung an Männern außen vor zu lassen und gerade deshalb gradlinig zu bleiben?

Ich habe keine Antworten, nur Tendenzen.

Herzliche Grüße PishnurgPummeluff/VK

Expand full comment
Reply
LiNel
May 16, 2022

Guten Morgen,

wir haben Montag und kurz vor 8 Uhr.

Ich trinke gerade mein Kaffee und lese deinen wunderbaren Text.

Die Woche hat mit Kampfmut und Solidarität im Herzen anfangen. Auf zur Tat!

Danke Rona :)

Expand full comment
Reply
4 more comments…
TopNewCommunity

No posts

Ready for more?

© 2023 Rona Duwe
Privacy ∙ Terms ∙ Collection notice
Start WritingGet the app
Substack is the home for great writing